Reboots für die Regeneration

Reboots im Test: Bessere Regeneration mittels dynamischer Kompression?

Es rattert, es zischt, die Beine in große schwarze Luftkissen gehüllt. Ein Szenario was einem mittlerweile bei der Recherche zum Thema Regeneration immer häufiger begegnet. Die Rede ist von aktiver dynamischer Kompression mit Hilfe von sogenannten Recovery Boots – zu Deutsch: Regenerations Stiefel. Lauert da etwa eine Möglichkeit die Regenerationszeiten drastisch zu verkürzen? Da wurde ich natürlich neugierig, also habe ich das Ganze mit dem Modell des Herstellers Reboots selber unter die Lupe genommen.

Generell scheint es so, als würde der Markt der Regenerations Stiefel boomen. Auf der Event-Messe des Ironman Frankfurt 2018 gab es tatsächlich vier, fünf Stände von diversen Herstellern die ihr Produkt an den Mann bringen wollten. Der Andrang war durchaus groß.

Das Prinzip hinter der Regeneration mittels dynamischer Kompression

Das Funktionsprinzip, was hinter all den Produkten steckt ist denkbar einfach. Beim Training entstehen Stoffwechsel-Abfallprodukte wie zum Beispiel das allseits bekannte Laktat. Nach dem Training und getaner Arbeit sollen diese Stoffe möglichst schnell wieder abgebaut werden. Dazu müssen sie raus aus den Beinen, um dann in den Stoffwechselorganen des Körpers, wie zum Beispiel der Leber, umgewandelt zu werden.

Ziel der dynamischer Kompression ist es nun, die Zeit die es benötigt, um diese Abfallstoffe abzutransportieren zu beschleunigen. Das Prinzip ist dabei ein ähnliches, wie bei Kompressionsstrümpfen.

Reboots Recovery Boots Verarbeitung

Die Stiefel sind nichts anderes als um die Beine gehüllte Luftkissen, unterteilt in mehrere Kammern, die mit einem kleinen Kompressor einzeln mit Luft befüllt werden können. Während der Anwendungen füllen sich die Kammern an den Füßen zuerst und Schritt für Schritt füllen sie die Kammern bis hoch zum Oberschenkel. So wird mit „Flussrichtung“ zum Oberkörper hin Druck auf die Venen ausgeübt, was wiederum dafür sorgen soll, dass der venöse Rückfluss beschleunigt wird und somit ebenfalls der Abtransport der Stoffwechsel-Abfallprodukte beschleunigt wird. Man spricht hier auch vom „Melken“ der Beine. Dieser Ablauf findet dann in einem Nonstop-Zyklus statt.

Das ganze Prozedere kann natürlich sehr ähnlich auch durch eine Massage erreicht werden. Aber wer hat schon direkt nach der Trainingseinheit einen Physio zuhause parat? 😉

Studien: Dynamische Kompression hilft nach anaerobem Ausdauertraining am besten

Jetzt ist natürlich die große Frage: Hilft dieses durchaus kostspielige Stück Equipment wirklich? Wie in den meisten Fällen muss mal wohl sagen: Es kommt darauf an! Und zwar darauf, nach welcher Art Training man die Methode anwendet.

Keine großen Effekte nach dem Krafttraining

Keine großen Effekte konnten in Zusammenhang mit Krafttraining oder generell Training, welches die Muskulatur beschädigt, festgestellt werden. Das heißt, nach einer harten Krafttrainings-Einheit kann sich die Anwendung natürlich trotzdem gut anfühlen, denn wer wird nicht gerne ein wenig massiert, allerdings beschleunigt sie in diesem Fall die Regeneration nicht nachweislich.

Nach anaeroben Training macht die Anwendung den meisten Sinn

Nun aber zur Paradedisziplin der Recovery Stiefel. Beim Abbau von Stoffwechsel-Abfallprodukten wie Laktat spielt das System tatsächlich seine Stärken aus. Das bedeutet, dass es vor allem Sinn ergibt, sich nach harten Intervalleinheiten direkt in die Luftpolster-Stiefel zu schmeißen.

Grundsätzlich ist es natürlich auch so, dass der Körper die Abfallprodukte auch ohne aktive Kompression wieder abbaut, allerdings eben nicht so schnell und effektiv.

Studien zum Thema aktive Kompression:

  1. An Intermittent Pneumatic Compression Device Reduces Blood Lactate Concentrations More Effectively Than Passive Recovery after Wingate Testing (2013)
  2. Dynamic Compression Enhances Pressure-to-Pain Threshold in Elite Athlete Recovery: Exploratory Study (2015)
  3. Effect of lower limp compression (Normatec) on glycogen resynthesis (2012)
  4. Intermittent Pneumatic Compression Technology for Sports Recovery (2006)
  5. Intermittent pneumatic compression effect on eccentric exercise-induced swelling, stiffness, and strength loss (1995)
  6. The effect of intermittent pneumatic compression on the management of pain associated with delayed onset muscle soreness (2016)
  7. Alle Google Scholar Ergebnisse zu: Pneumatic Compression Athletes

Soweit erst mal zur Wissensbasis zum Thema aktive Kompression. Sicherlich gibt es da noch mehr und viele, viele weitere Details zu entdecken und zu studieren. Für mich reicht es so allerdings erst einmal aus, um mir ein Bild über Sinn oder Unsinn der Produkte zu machen.

Entscheidend ist die Anwendung zur richtigen Zeit, mit der richtigen Dauer

Jetzt kennen wir ein paar Daten und Fakten, doch es reicht natürlich nicht, die Geräte nur irgendwie anzuwenden. Es kommt ganz maßgeblich auf den Zeitpunkt und die Dauer der Anwendung an. Für den optimalen Effekt ist es wichtig, möglichst direkt nach dem Training mit der Regeneration in den Stiefeln zu beginnen und das für eine Dauer von 30 bis 60 Minuten bei einem starken Druck, der allerdings nicht schmerzhaft sein sollte. Man sieht, hier gilt es einen ganzen Batzen zusätzliche Zeit zu investieren.

Reboots Test: So funktioniert die Anwendung der Reboots

Genug der Theorie, rein in die Praxis. Das Team von Reboots war so nett, mir für einen Zeitraum von ein paar Monaten ein Reboots-Gerät mit zusätzlichen Armsleeves (kommen wir später zu) zur Verfügung zu stellen. Ersten Kontakt mit dem Gerät hatte ich beim Ironman Frankfurt, da habe ich auf der Messe wohl eine gute Stunde in den Stiefeln verbracht – mit Genuss!

Beim Auspacken wird schnell klar: Das Gerät und die gesamte Hardware an sich sind absolut hochwertig und nett designt. Alles ist stimmig und nichts wirft irgendwelche großen Fragen auf.

Reboots Recovery Boots im Test

Die Reboots im Kurzüberblick:

  • Gerät: Reboots One Recovery Boots
  • Optionen: Hoose, Beinsleeves, Armsleeves
  • Verfügbare Größen: M, L, XL
  • Luftkammern: 8 (einzelne deaktivierbar)
  • Preis: 889,- Euro

Setup: So schließt man die Reboots richtig an

Der Aufbau und das Anschließen der Reboots war denkbar einfach. Die Basis-Einheit mit der Steuerung und dem Kompressor muss einfach nur in die Steckdose gesteckt werden. Dann schließt man die beiden Stiefel an. Die Luftzufuhrschläuche werden dazu einfach vorn in die Basis-Einheit eingesteckt… ebenfalls super easy. Dann ab aufs Sofa und schon kann es losgehen.

Anschließen der Reboots

Anwendung: Die verschiedenen Funktionen und Programme

Nun einfach in die beiden Beinteile reinschlüpfen. Hier sollte man darauf achten, dass die Anschlussschläuche über den Beinen hergeführt werden und man sich eben nicht darauf setzt oder sie abdrückt oder abknickt. Das ist allerdings kein großes Problem. Die Beine sollten waagerecht oder sogar leicht hochgelagert liegen. Jede Hilfe, das Blut einfacher Richtung Oberkörper zu bekommen, ist willkommen.

Die Beinsleeves sitzen richtig, wenn nur die Zehenspitzen noch etwas oben rausgucken. Ich trage für die Anwendung eine kurze Hose, damit keine Falten zwischen den Stiefeln und meinen Beinen entstehen können, das kann nämlich sonst auch mal etwas zwicken, je nach Druckstufe. Man kann aber sicher auch problemlos eine Tight oder Ähnliches tragen.

Reboots für die Regeneration

Schon geht’s los. Als Erstes wähle ich mein Lieblingsprogramm: Programm B.  Es gibt insgesamt sechs verschiedenen Programme zur Auswahl, diese arbeiten alle in Richtung Oberkörper, aber unterscheiden sich durch Dauer und Art der Kammerfüllung. Nun stelle ich noch den Druck ein und dann geht’s los mit der „Play“ Taste. Easy peasy…

Die Programme der Reboots Recovery Stiefel

Die Bedienung der Reboots

Beim Druck bewege ich mich fast immer auf der höchsten oder zweithöchsten Stufe. Hier gilt es aber, den für einen selbst besten Druck herauszufinden. Er sollte schon stark aber auf keinen Fall schmerzhaft sein.

Oft starte ich auch etwas „softer“ und nach ein paar Minuten erhöhe ich dann. Schließlich werden die Beine bei der Anwendung tatsächlich etwas dünner.

Nicht nur für die Beine: Reboots Armsleeves nach dem Schwimmtraining

Gerade nach harten Laufintervallen genieße ich die Reboots sehr. Allerdings ist das nicht alles, denn auch nach dem Schwimmen kann man den Reboots nutzen… aus denen mittels Armsleeves dann so gesehen eher Rearms werden. 😉 Die Anwendung an den Armen funktioniert ansonsten exakt identisch, außer dass man in diesem Fall auf jeden Fall keinen Laptop bedienen kann und auch die Bedienung der Basiseinheit etwas tricky ist. Hier hilft definitiv die mitgelieferte Fernbedienung oder auch meine liebe Freundin. 🙂

Reboots Fernbedienung

Die Reboots überzeugen durch hohe Qualität, doch ist der Preis für so ein System gerechtfertigt?

Ich muss sagen, ich habe an den Reboots eigentlich überhaupt nichts auszusetzen. Sie sind hochwertig verarbeitet, die Sleeves sind robust und aus einem Material, was sich super reinigen lässt. Das ist natürlich wichtig, denn da ist ja doch öfter mal etwas Schweiß mit im Spiel. In Phasen in denen man gerade als Langdistanz-Triathlet sehr viel und auch intensiv trainiert sind die Reboots Gold wert. Klar, der Preis von knapp 900 Euro hat es in sich und am Ende muss jeder für sich entscheiden, ob diese Investition für einen Sinn ergibt.

Reboots im Test

Im Preisvergleich mit anderen Herstellern schneidet Reboots dabei allerdings einwandfrei ab, sodass ich das Gefühl habe, man bekommt hier für sein Geld eine gute Qualität.

Mein Wunsch an den Reboots Hersteller:

Neben der Basis-Einheit und der Fernbedienung wäre es richtig cool, eine App zu haben, die über Bluetooth mit der Basis-Einheit kommuniziert und die es mir erlaubt noch freier und flexibler eigene Programme zu erstellen. Zum Beispiel mit einer dynamischen Steigerung des Drucks oder eben eine Abfolge verschiedenen Programme ganz automatisch. Hier ist man an der Basisstation natürlich entsprechend limitiert und eine App würde aus meiner Sicht eine tolle Ergänzung bieten.

Außerdem könnte man so eventuell sogar das Gerät per Siri starten und stoppen, wenn man die Armsleeves trägt. 😀

Fazit: Dynamische Kompression kann helfen, wenn sie richtig genutzt wird

Eins ist klar, für den Hobbyathleten, der nach einem Lauf am Morgen mehr oder weniger direkt los zur Arbeit muss, kann diese Regenerationsmethode schwer werden. Genauso, wenn noch andere Verpflichtungen nach einem Lauf am Abend auf einen warten. Glücklich schätzen kann sich der, der zum Beispiel mit dem Laptop auf dem Schoß während der Anwendung schon produktiv seinem Job nachgehen kann, oder derjenige, der am Abend die Zeit und die Ruhe hat, mit der aktiven Kompression seine Regeneration zu unterstützen.

Ich will damit aber überhaupt nicht sagen, dass diese Produkte keinen Sinn machen. Im Gegenteil, wenn man die Chance hat, sie einzusetzen, fühlt sich das ganz großartig an und kann die Regenerationszeiten ein ganzes Stück verkürzen. Allerdings macht so ein Invest auch nur dann Sinn, wenn ich ein Trainingspensum habe, was diese Regenerationszeiten auch von mir verlangt.

Wenn ich zum Beispiel ohnehin einen ganzen Tag Pause bis zur nächsten Einheit habe, dann brauche ich es wahrscheinlich nicht wirklich. Will ich aber schon am nächsten Tag wieder auf hohem Niveau trainieren… dann hey: Ich würde alle sinnvollen Mittel ausschöpfen wollen. Und dazu gehört dann ein Gerät wie die Reboots.

Die Basiseinheit der Reboots

Natürlich gibt es neben Reboots noch weitere Hersteller von Regenerations-Stiefeln. Neben dem langjährigen Platzhirschen NormaTec fallen mir da noch die Geräte von Recovery Pump, Air Relax und Rapid Reboot ein. Dort trifft man auf ganz unterschiedliche Preiskategorien, die sicherlich teilweise auf die Qualität und auch die „Kraft“ der Geräte rückschließen lassen. Ebenso ist die Anzahl der Luftkammern ein weiterer Faktor.

Meine eigene Erfahrung beschränkt sich bisher auf die Reboots. Hier muss ich sagen passt für mich die Qualität der Anwendung und die der Hardware mit dem veranschlagten Preis gut zusammen.

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